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Der Wal, das Krokodil und die Hosen der Weisheit

In der Stadt, in der die Menschen emsig wie Bienen wuselten und die Türme in den Himmel ragten als wollten sie die Wolken piksen, befand sich eine ganz besondere Stadtbibliothek. Sie war das Herz des Wissens, ein Ort, wo Geschichten lebendig wurden und Abenteuer auf den staubigen Regalen tanzten. Bücher stapelten sich bis zur Decke, und ihre Seiten flüsterten Geheimnisse in die Ohren der Besucher.

In dieser Bibliothek lebte Ein Wal, aber nicht irgendein Wal. Er war ein kleiner, blauer Wal aus Papier, der auf der letzten Seite eines vergessenen Märchenbuches lebte. Die Kinder, die die Bibliothek besuchten, überblätterten oft die letzte Seite, weil sie dachten, dort gäbe es nichts zu sehen. Doch genau dort fand Ein Wal sein Zuhause zwischen den Zeilen eines unvollendeten Abenteuers, welches sich danach sehnte, zu Ende erzählt zu werden.

Eines regnerischen Nachmittags, als draußen die Pfützen fröhlich in die Höhe hüpften, wagte sich Ein Wal aus seiner Papiereinsamkeit heraus, denn er hatte die Nase voll von den ständigen Versprechungen leiser Buchstaben über große Abenteuer. Es war Zeit, sein eigenes zu beginnen. Er schlängelte sich durch den Spalt zwischen den Seiten und schwamm in die Freiheit.

— Guten Tag, darf ich eintreten? rief er leise, um nicht die Stille des Ortes zu stören.

Ein grobes, fröhliches Lachen antwortete ihm, und aus der Ecke der Mythen kam Ein Krokodil geschlendert, ein grünes Wesen, prächtig und stark, das zwischen den Legenden Afrikas und den Fabeln des Nils wandelte. Seine Schuppen glitzerten wie Smaragde, und seine Zähne waren so weiß wie die Perlen des Meeres.

— Natürlich, mein Freund, sei willkommen in den Hallen des Wissens, grüßte das Krokodil mit einem breiten Grinsen.

Ein Wal, der ein Abenteuer suchte, und Ein Krokodil, der auf der Suche nach einem Freund war, beschlossen, die Stadtbibliothek gemeinsam zu erkunden. Sie schlüpften zwischen den Reihen der Bücher hindurch, schlichen an den Esstischen der alten Griechen vorbei und bestaunten sogar das weit entfernte Universum durch die Holo-Bilder des Astronomieregals.

Plötzlich entdeckten sie etwas Unerwartetes – ein altes, verstaubtes Buch, das so seltsam dick war, dass es aussah, als verstecke es mehr als nur Geschichten. Es war Das Lexikon der Geheimnisvollen Hosen. Die Hosen auf dem Cover waren bunt und schillernd, sie tanzten und sprangen, als hätten sie ein Eigenleben.

— Was für außergewöhnliche Hosen! rief Ein Wal mit einem Schmunzeln.

— Sie sehen aus, als könnten sie demjenigen, der sie trägt, unglaubliche Kräfte verleihen! schwärmte Ein Krokodil.

Sie schlugen das Buch vorsichtig auf, um die Bibliothek nicht zu erzürnen, denn trotz ihrer Neugier wollten sie respektvoll bleiben. Das Buch enthielt Geschichten von Helden, die durch die Hosen der Weisheit Macht, Mut und Klugheit erlangten.

Mit einem Kribbeln der Vorfreude beschlossen sie, diese Hosen zu suchen. Sie waren fest davon überzeugt, dass die Hosen der Weisheit ihnen dabei helfen würden, ihre eigenen Geschichten zu vollenden. Wenn das Märchenbuch für Ein Wal nicht zu Ende ging, so sollte er es selbst zu einem glücklichen Ausgang führen.

Ihre Suche begann zwischen den uralten Karten legendärer Welten und Kochbüchern, die Rezepte für Zaubertränke enthielten. Sie fragten den alten Atlas, der von Reisen und Entdeckern zu berichten wusste, und die Enzyklopädie der fantastischen Kreaturen, die Geheimnisse flüsterte, lauter als die anderen Bücher.

Stunden vergingen, wie sie nur in der Welt der Bücher vergehen können – an einigen Orten schnell wie ein Säbelzahntiger, an anderen langsam wie ein träumendes Faultier.

— Siehst du das? flüsterte Ein Wal, als er in einem Wimmelbuch mysteriöse Schatten hinter einem Stapel alter Zeitungen entdeckte. Ein Zipfel, so bunt wie der Regenbogen selbst, lugte hervor.

Mit einem Ruck zog das Krokodil die Zeitungen beiseite, und da lagen sie: die Hosen der Weisheit. Sie waren genauso eindrucksvoll wie im Buch beschrieben, bestickt mit Mustern von Welten, die sie beide nur erahnen konnten.

Jetzt standen sie da und fragten sich, wer von ihnen die Hosen anziehen durfte, als das Schicksal in Form einer kleinen Bibliotheksratte, die gewitzt aus einer Ecke kicherte, eingriff.

— Warum wollt ihr teilen, wenn ihr zusammen so viel mehr erreichen könnt? Die Hosen der Weisheit sind für alle da, die bereit sind, gemeinsam zu lernen und zu wachsen!

Ein Wal und Ein Krokodil sahen einander an, und ohne ein weiteres Wort, schlüpften sie gemeinsam in die eine Hose, ein Bein für den Wal, das andere für das Krokodil.

Kaum berührten ihre gedrungenen und geschuppten Beine den Stoff, spürten sie, wie sich ihre Gedanken weiteten und das Herz von einer Welle des Verstehens erfüllt wurde. Geschichten flossen durch ihre Adern, und Worte wurden zu Brücken zwischen ihren Welten.

Bewaffnet mit der Weisheit, die sie jetzt besaßen, kehrten sie zu dem verlassenen Märchenbuch zurück und beendeten gemeinsam die Geschichte. Es war eine Geschichte der Freundschaft, des Mutes und der Magie, die sich in den endlosen Gängen der Stadtbibliothek abspielte.

Von dem Tag an waren Ein Wal und Ein Krokodil nicht nur Bewohner des Buches oder Wächter des Wissens; sie waren Helden einer Geschichte, die in den Herzen der Kinder, die sie lasen, weiterlebte. Und die Hosen der Weisheit, glänzend und reich verziert, wurden sorgsam zurück ins Regal gelegt, bereit für den nächsten Suchenden, dessen Abenteuer gerade erst begann.

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