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Eine mutige Begegnung im alten Spukhaus

Im kleinen Dorf Schattenwald lebte ein Mädchen namens Lina, das für seinen Mut und seine Abenteuerlust bekannt war. Lina war zehn Jahre alt, hatte wilde lockige Haare und funkelnde blaue Augen. Eines Herbstnachmittags hörte sie ein geheimnisvolles Gespräch in der Dorfbäckerei, als sie gerade dabei war, Brot für ihre Familie zu kaufen.

– Hast du gehört, dass das alte Haus am Ende des Dorfes wieder spukt? – fragte die Bäckerin mit aufgerissenen Augen.

– Ja, und es soll einen Schatz darin geben! – fügte der Müller hinzu, der gerade seine Mehlbestellung abholte.

Lina schnaubte leise. Sie hatte schon viele Geschichten über das Spukhaus gehört, aber niemand hatte je den Mut gehabt, ihm wirklich zu begegnen. Doch Lina, immer auf der Suche nach dem nächsten Abenteuer, beschloss, dieser Geschichte auf den Grund zu gehen.

Nach dem Abendessen packte Lina ihre Tasche mit einer Taschenlampe, einem Pausenbrot und einer Flasche Wasser. Sie zog ihre wärmste Jacke an, schnürte ihre Stiefel fest und machte sich auf den Weg zum alten Spukhaus, das am Rande des dichten Waldes stand. Die Bäume flüsterten leise, als Lina näherkam, und die Nacht war erfüllt von den geheimnisvollen Geräuschen der Natur.

Als Lina das furchterregende Haus erblickte, schlug ihr Herz schneller. Es hatte hohen, schiefen Türmen, zersprungenen Fenstern und eine schwere, knarrende Holztür. Mutig schob sie die Tür auf und trat ein. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, als sie die unheimliche Dunkelheit durchquerte. Ihre Taschenlampe warf ein zitterndes Licht auf verlassene Möbel und staubige Vorhänge.

– Wer wagt es, mein Reich zu betreten? – ertönte eine tiefe, brüllende Stimme aus den Tiefen des Hauses.

Lina zuckte zusammen und drehte sich um. Vor ihr stand ein riesiger Tiger mit glänzendem Fell und leuchtend grünen Augen. Sein Blick war nicht bedrohlich, sondern neugierig.

– Ich bin Lina, – sagte sie mit fester Stimme, – und ich habe keine Angst vor Spukgeschichten. Was machst du hier?

Der Tiger schnurrte leise und setzte sich auf seine majestätische Art hin.

– Ich bin Tarek, der Wächter dieses Hauses. Nur die Mutigsten wagen es, hier einzutreten. Was suchst du, Lina?

– Ich möchte den Schatz finden, von dem alle im Dorf sprechen, – erklärte Lina, während sie weiterhin tapfer Blickkontakt hielt.

Tarek lächelte, soweit es sein mächtiges Schnurren zuließ.

– Ein Schatz, sagst du? Nun, wir werden sehen, ob du den Mut und die Weisheit dazu hast. Folge mir.

Tarek führte Lina durch die dunklen Korridore und knarrenden Treppen des Spukhauses. Überall hingen Spinnweben, und die Schatten tanzten unheimlich an den Wänden. Schließlich gelangten sie zu einer gewaltigen Bibliothek mit einer gewaltigen Decke und endlosen Regalen voller alter Bücher und verstaubter Artefakte.

– In einer dieser Bücher ist der Hinweis auf den Schatz verborgen, – sagte Tarek, – finde ihn, und du wirst den Schatz entdecken.

Lina setzte ihre Taschenlampe auf den Tisch und begann sorgfältig, die Bücher durchzusehen. Sie versuchte, sich nicht ablenken zu lassen von den Schatten, die sich umbewegten, und den unheimlichen Geräuschen, die das Haus von Zeit zu Zeit machte. Stunden vergingen, doch schließlich entdeckte sie ein altes Buch mit goldenen Lettern auf dem Einband: „Das Geheimnis des mutigen Herzens.

Lina öffnete vorsichtig das Buch und las laut vor:

– Nur wer Mut und Bescheidenheit in seinem Herzen trägt, wird den wahren Schatz dieses Hauses finden.

Lina sah nachdenklich zu Tarek.

– Was bedeutet das?

Tarek schaute weise auf sie herab.

– Mut alleine reicht nicht, Lina. Man muss auch erkennen, dass Eigenlob stinkt. Nur wer sich selbst nicht zu sehr in den Mittelpunkt stellt, kann den wahren Wert finden.

Lina dachte intensiv nach. Sie erinnerte sich, wie sie oft geprahlt hatte, wie mutig sie sei und wie viele Abenteuer sie bestanden hatte. Tief in ihrem Herzen wusste sie, dass das Prahlen sie nicht wirklich mutiger gemacht hatte.

– Ich verstehe, – sagte sie schließlich leise.

Tarek nickte zufrieden.

– Dann folge mir, – sagte er und führte Lina zu einem kleinen, unscheinbaren Schrank, der in einer Ecke der Bibliothek stand.

Als Lina die Tür des Schranks öffnete, fand sie darin keine glänzenden Juwelen oder Gold, sondern eine Tasche. Die Tasche war von einem sanften, leuchtenden Stoff und strahlte eine angenehme Wärme aus. Auf ihr war ein kleines goldenes Herz eingestickt.

Lina nahm die Tasche vorsichtig in ihre Hände.

– Das ist der wahre Schatz, – erklärte Tarek. – Diese Tasche ist magisch und wird dir immer genau das geben, was du brauchst, nicht was du begehrst. Du musst sie jedoch stets mit Bescheidenheit und Dankbarkeit tragen.

Lina lächelte und versprach, die Lektion zu beachten. Sie dankte Tarek und verabschiedete sich herzlich von ihm, bevor sie das Spukhaus verließ.

Zurück im Dorf wurde Lina von den Dorfbewohnern mit allerlei Fragen bestürmt.

– Hast du den Schatz gefunden? – fragte die Bäckerin neugierig.

Lina hob die Tasche und antwortete bescheiden:

– Ja, aber es ist ein Schatz, den man mit dem Herzen sehen muss.

Die Dorfbewohner verstanden, dass Lina etwas Wertvolles gelernt hatte. Von nun an prahlte sie nicht mehr, sondern ließ ihre Taten für sich sprechen. Und die magische Tasche half ihr dabei, anderen zu helfen und gute Taten zu vollbringen, ohne jemals damit anzugeben.

So wurde Lina zur wahren Heldin ihres Dorfes, nicht weil sie den Schatz gefunden hatte, sondern weil sie gelernt hatte, dass wahrer Mut und Bescheidenheit Hand in Hand gehen.

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