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Des Opas Abenteuer in der Bibliothek

Inmitten des knisternden Laubs des Herbstes stand die alte, ehrwürdige Bibliothek, die mehr Geheimnisse birgt, als sie Bücher in ihren endlosen Regalen hatte. Ihre Mauern, aus den Steinen längst vergangener Zeiten gefertigt, flüsterten Geschichten, die die meisten nur aus Büchern kannten. Doch für unseren Helden, den Opa Heinrich, sollten diese Geschichten heute lebendig werden.

Opa Heinrich war kein gewöhnlicher Großvater. Während andere in seinen Jahren vielleicht friedlich im Schaukelstuhl säßen, war er voller Tatendrang und Wissenshunger. Heute hatte er sich vorgenommen, das alte Familienrezeptbuch zu finden, das seit Generationen verloren geglaubt war. Er war überzeugt, dass es irgendwo in den Tiefen dieser Bibliothek sein musste.

Kaum hatte er den mächtigen Holztüren den Rücken gekehrt und einen Fuß in die Bibliothek gesetzt, spürte er, wie die Luft um ihn herum elektrisiert zu sein schien. Die Bücher schienen zu ihm zu sprechen, und die Schatten bewegten sich beinahe neugierig.

– Guten Morgen, mein alter Freund, hob er an, während er an den Regalen entlangstrich, so, als wäre jeder Buchrücken ein alter Bekannter, den er begrüßen wollte.

Keine Antwort kam, außer dem leisen Echo seiner eigenen Stimme und dem Rascheln alter Seiten im unsichtbaren Zug des Windes. Doch je tiefer er in die Bibliothek eindrang, desto mehr spürte er, dass er nicht allein war.

Plötzlich, fast wie aus dem Nichts, materialisierte sich vor ihm eine Gestalt – bleich, mit tiefdunklen Augen und gekleidet in einen samtigen Umhang. Ein Vampir! Doch statt Furcht zu empfinden, funkelten Opas Augen vor Aufregung.

– Oh, ein Vampir! Vor mir? In dieser Bibliothek? Was führt dich hierher, mein nächtlicher Freund? – Opa Heinrichs Stimme zitterte nicht vor Angst, sondern vibrierte von einer Mischung aus Neugier und Abenteuerlust.

– Ich suche, – die Stimme des Vampirs war ruhig und klang wie das Flüstern des Windes durch verlassene Schlösser, – nach einem Buch, das mir helfen soll, die Sonne zu sehen, ohne zu verbrennen. Jahrhundertelang habe ich die Nacht beherrscht, doch nun sehne ich mich nach dem Licht des Tages.

Opa Heinrich kratzte sich nachdenklich am Kopf. – Nun, das ist ein edles Vorhaben. Vielleicht können wir einander helfen. Ich suche nach einem alten Rezeptbuch meiner Familie. Zusammen sind wir vielleicht erfolgreicher.

So schlossen der Opa und der Vampir ein Bündnis, wie es die Bibliothek noch nicht gesehen hatte. Seite an Seite durchforsteten sie die Regale, lasen uralte Schriftrollen und entzifferten vergessene Sprachen.

Stunden vergingen wie Minuten, und die beiden fanden sich in den untersten Katakomben der Bibliothek wieder, wo Bücher lagerten, die selbst von den hartgesottensten Bibliothekaren gemieden wurden.

– Schau! – Opa Heinrichs Stimme zitterte vor Aufregung, als sein Finger auf ein in Leder gebundenes Buch zeigte, dessen Seiten golden im Kerzenlicht schimmerten. – Das ist es! Das Buch meiner Familie!

Fast gleichzeitig streckte der Vampir seine Hand aus und zog ein staubiges, silbern schimmerndes Buch hervor. – Und dies muss das Geheimnis sein, nach dem ich suche!

Freudig und mit einem Gefühl der Kameradschaft, das nur gemeinsame Abenteuer schaffen können, machten sie sich an die Arbeit. Gemeinsam studierten, experimentierten und lernten sie, bis der erste Sonnenstrahl der Morgendämmerung am Horizont erschien.

– Siehst du das? – Der Vampir trat zaghaft ans Fenster, seine Haut unter dem Einfluss des Buches nun vor den tödlichen Strahlen geschützt. Ein Lächeln umspielte seine Lippen, als er das erste Mal das Morgenlicht genoss.

Opa Heinrich, der inzwischen das Rezept für ein legendäres Familiengebäck gefunden hatte, lächelte ebenfalls. – Das ist der Anfang eines neuen Kapitels für uns beide, mein Freund.

Als die Sonne vollends den neuen Tag begrüßte, schlossen sie die Bücher und schauten sich an. Sie wussten, dass ihre ungewöhnliche Freundschaft etwas Besonderes war; geboren aus Neugier und gefestigt durch unerwartete Verbundenheit.

Mit einem letzten Blick auf die nun in der Morgensonne glänzende Bibliothek machten sie sich auf den Weg nach draußen. Denn obwohl sie heute das gefunden hatten, was sie suchten, ahnten beide, dass noch unzählige Abenteuer auf sie warteten. Und so, Schulter an Schulzter, traten sie ins Licht eines neuen Tages, bereit für all die Geschichten, die noch geschrieben werden mussten.

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