Unter dem funkelnden Sternenhimmel des Nordens, dort, wo die Luft so rein und kalt ist, dass jeder Atemzug wie ein Schluck frisches Wasser erfrischt, lag ein kleines Dorf umschlungen von moosbewachsenen Hügeln. In diesem Dorf lebte ein junger Wikinger namens Harald. Harald war nicht nur für seine kräftige Statur bekannt, sondern auch für seine lauten Geschichten über seine angeblichen Heldentaten. „Kein Monster ist zu grimmig für mein Schwert! prahlte er oft, wobei die Dorfbewohner ihm wohlwollend, aber skeptisch zuhörten.
Eines Tages, während Harald wie üblich seine neuesten Abenteuergeschichten zum Besten gab, verstummten die Gespräche plötzlich, als der alte Seher des Dorfes, Eyvind, eintrat. Mit tiefen Falten, die seine Augen wie alte Pergamentrollen umrankten, blickte er Harald mit einem schwer zu deutenden Ausdruck an. „Harald, wenn du wirklich so tapfer bist, wie du behauptest, begann Eyvind, „dann begib dich zum alten Hügel bei Vollmond. Dort, so sagt man, wandelt ein Wesen, das noch kein Krieger bezwingen konnte.
Die Herausforderung war ausgesprochen, und Harald, getrieben von Stolz und dem Bedürfnis, sich zu beweisen, nahm sie ohne Zögern an. Die Bewohner des Dorfes munkelten untereinander, einige besorgt, andere amüsiert. „Ein Werwolf soll dort hausen, flüsterte man hinter vorgehaltener Hand.
Als die Nacht hereinbrach und der Vollmond wie ein silberner Schild am Himmel aufstieg, machte Harald sich auf den Weg. Sein Herz pochte vor Aufregung und auch ein wenig vor Furcht, denn tief in seinem Inneren fragte er sich, ob die Geschichten, die er so oft erzählt hatte, ihm in der Begegnung mit einem wahren Monster wohl eine Hilfe sein würden.
Der Hügel erschien in der Dunkelheit größer und bedrohlicher, als Harald ihn je gesehen hatte. Der Nebel waberte um seine Schritte, als er begann, den Pfad nach oben zu nehmen. Plötzlich hörte er das Knacken von Ästen hinter sich. Harald wirbelte herum, sein Schwert bereit, und da stand es – ein Werwolf, riesig und furchteinflößend, mit Augen, die im dunklen Glühen des Mondes funkelten.
„Ich fürchte dich nicht!, rief Harald mutig, obwohl seine Stimme leicht zitterte.
– „Du solltest, antwortete das Wesen mit einer Stimme, die so tief und grollend war, dass sie den Boden unter Haralds Füßen zum Vibrieren brachte. „Doch bevor wir kämpfen, möchte ich, dass du etwas siehst.
Zu Haralds Verwunderung verschwand das Werwolf in einem nahen Unterstand und brachte ein Gemälde hervor. Das Bild zeigte einen jungen Krieger, der heldenhaft kämpfte, doch nicht gegen Monster oder Feinde, sondern gegen seinen eigenen Hochmut.
– „Siehst du, begann das Werwolf zu erklären, „echte Stärke liegt nicht darin, wie viele Schlachten du kämpfst, sondern wie du sie kämpfst. Und der schwerste Kampf findet oft in uns selbst statt.
Haralds Herzschlag beruhigte sich langsam, als er die Worte des Werwolfs verstand. Er senkte sein Schwert, betrachtete das Gemälde und dann das Wesen vor ihm. An diesem Punkt erkannte er, dass sein größter Gegner sein eigener Stolz war, der ihn dazu trieb, immer größere und gefährlichere Herausforderungen anzunehmen, um sich selbst und anderen zu beweisen, wie mutig er doch war.
– „Ich danke dir, weises Wesen, sagte Harald mit einer neu gefundenen Demut. „Ich habe viel zu lernen über wahren Mut und die Bedeutung von Stärke.
Mit diesen Worten nahm Harald Abschied vom Werwolf, das ihm zufrieden zunickte, bevor es im Schatten des Hügels verschwand. Harald machte sich auf den Rückweg, nicht mit Geschichten von blutigen Kämpfen, sondern mit einer Lektion im Herzen, die wichtiger war als alle Siege: Eigenlob stinkt.
Als er ins Dorf zurückkehrte, lauschten die Bewohner überrascht seiner Geschichte, nicht einer von epischen Schlachten, sondern einer von Selbstreflexion und persönlichem Wachstum. Harald wurde noch immer für seine Tapferkeit bewundert, jetzt jedoch nicht mehr für seine kühnen Behauptungen, sondern für seine wahre Stärke – seine Fähigkeit, von sich und anderen zu lernen.