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Das Geheimnis der Meerjungfrau in der Stadtbibliothek

In der tiefen Stille der Stadtbibliothek, umgeben von hohen Regalen voller lebensgroßer Bücher, die bis an die Decke des gewaltigen Raums reichten, begann eine Geschichte, wie sie noch nie ein Mensch gehört hatte. Unsichtbare Zeilen aus Tausenden von Geschichten tanzten durch die Luft und wirbelten um die Leselampen. Hier war eine Welt des Wissens und der Fantasie, die darauf wartete, entdeckt zu werden.

Unter den Schatten, die von den altmodischen Bücherregalen geworfen wurden, huschte eine Gestalt, die eigentlich nicht hierher gehörte. Es war Eine Meerjungfrau, die durch eine List des Schicksals vom Meer in diese Welt der menschlichen Kultur gelangt war. Das Wesen hatte langes, funkelndes Haar, das Farben des Ozeans widerspiegelte, und eine sanft glitzernde Schwanzflosse, die bedächtig über den Bibliotheksboden glitt.

Niemand vermochte zu sehen, wie die Meerjungfrau in die Bibliothek kam, noch wussten die Menschen, dass dieser Ort nachts zum Leben erwachte. Wenn die letzten Besucher gegangen waren, entfaltete sich hier ein Zauber, der jedes Wesen aus den Seiten der Bücher hervorrief, ihnen Leben einhauchte und ihnen erlaubte, sich zu bewegen und zu sprechen.

— Willkommen in unserer Mitte, begann der weise alte Bibliothekar, dessen Geist über die Bücher wachte. — Ich bin Elio und das hier ist die Stadtbibliothek, ein Ort des Wissens, des Lernens und des Staunens.

— Aber wie bin ich hierhergekommen? fragte die Meerjungfrau, deren Stimme klang wie das sanfte Rauschen der Wellen. Ihre Augen durchsuchten neugierig die Reihe von Büchern, als ob sie Antworten in den unaussprechlichen Titeln finden könnten, die geschrieben standen.

— Das ist eine lange Geschichte, sagte Elio. — Doch zuerst solltest du dich vorstellen den anderen, die in diesen Hallen des Wissens leben.

Die Meerjungfrau lauschte verwundert den Geräuschen, die Elio heraufbeschworen hatte. Aus den Seiten der Bücher erschienen Figuren, die die Nacht begrüßten. Eine Piratin mit einem funkensprühenden Säbel, ein Ritter in schimmernder Rüstung, der eine Lanze schwang, und eine Fee, deren Flügel im Kerzenlicht vor den hohen Deckenfenstern schillerten.

— Mein Name ist Meridian, erklärte die Meerjungfrau mit einer Verbeugung, ein Name so geheimnisvoll wie die Tiefen des Meeres.

— Meridian, wir haben eine Aufgabe für dich, verkündete Elio. — Ein Buch ist verloren gegangen, ein sehr altes und sehr wichtiges Buch. Es erzählt von den Tiefen des Meeres und den Geschöpfen, die darin leben. Du, mit deiner Verbundenheit zum Wasser, könntest uns helfen, es zu finden.

Die Augen der Meerjungfrau leuchteten auf. Eine Suche in dieser Welt voller Gedanken und Seiten zu unternehmen, erschien ihr wie ein aufregendes Abenteuer.

— Wo soll ich beginnen? fragte Meridian.

— Beginne dort, wo das Wasser auf das Wort trifft, sagte der Ritter geheimnisvoll und deutete auf die Ferne. Ein Teil der Bibliothek, in dem sich die Bücher über Meere, Flüsse und Ozeane befanden.

So begann der abenteuerliche Streifzug von Meridian durch die Gänge und Etagen der Stadtbibliothek. Die Reise war lang und die Zeit verstrich, als hätte sie hier keine Macht.

— Glaubst du, dass wir es jemals finden werden? fragte Meridian die Fee, die ihn begleitete und deren Flimmern wie eine kleine Laterne im Dunkeln der Nacht leuchtete.

— Natürlich, sagte die Fee mit einem Lächeln. — Die Antwort liegt immer in den Geschichten. Man muss nur zuhören.

Sie durchstöberten alte Karten, studierten finstere Prophezeiungen und lauschten den Liedern vergessener Völker. Und doch, das gesuchte Buch war nirgends zu finden.

Da erinnerte sich Meridian an das Rätsel des Ritters: Dort, wo das Wasser auf das Wort trifft. Plötzlich hatte die Meerjungfrau eine Idee. Sie eilten zu einem Geschoss höher, wo eine Galerie die Säulen der Bibliothek umgab. Dort, zwischen den Gedichten und Balladen, fanden sie ein kleines, unscheinbares Buch, das allein in einer Ecke stand.

— Das ist es! rief Meridian aus und nahm das Buch vorsichtig in die Hände.

Als die Meerjungfrau das Buch öffnete, begann das Papier zu leuchten und lebendig zu werden. Seiten entfalteten sich zu Wellen und Worte verwandelten sich in Muscheln und Seesterne. Aus dem Buch stieg das Raunen des Meeres auf, und die Luft wurde von einem salzigen Duft erfüllt.

— Du hast es gefunden, Meridian, flüsterte Elio. — Das Buch des Meeres, das Bindeglied zwischen unserer Welt und deiner.

Die Figuren der Bibliothek versammelten sich um Meridian, während das Buch weiterhin seine Magie entfaltete. Meridian verstand, dass dieses Buch mehr als nur eine Sammlung von Geschichten war. Es war ein Schatz, der die Erinnerungen an das Meer bewahrte und die Welten miteinander verband.

Mit Hilfe des Buches erzählte Meridian den Bewohnern der Stadtbibliothek von Korallenriffen, die in den Farben des Regenbogens glänzten, von versunkenen Schiffswracks, die ihre Geheimnisse bewahrten, und von Meereslebewesen, die in Harmonie miteinander existierten.

Als die Sonne die ersten Strahlen des Morgens durch die Fenster der Bibliothek sandte, schloss sich das Buch, und die Magie verebbte. Meridian, das Buch fest in den Armen, wusste, dass die Verbindung des Meeres mit dieser Welt bestehen bleiben würde, solange die Geschichten geteilt wurden.

Die Bewohner der Stadtbibliothek hatten nun eine neue Legende, die von einer Meerjungfrau und dem Buch des Meeres berichtete. Und wenn der Mond hoch am Nachthimmel stand, konnte man, wenn man genau hinhörte, das sanfte Murmeln des Meeres in den stillen Hallen der Stadtbibliothek vernehmen. Denn Geschichten leben weiter, in den Herzen derer, die bereit sind, zuzuhören und zu träumen.

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