In der schummrigen Morgenstimmung, gerade als die Sonne ihre ersten Strahlen wie goldene Pinselstriche über den Himmel zog, polterte der alte Schulbus über knorrige Wurzeln und durch Pfützen. Das Gelb des Busses leuchtete wie ein Leuchtturm in der Morgendämmerung und schien fast magisch anzuziehen, was ihm auf der Fahrt begegnete.
— Halt, einer fehlt noch! rief der Fahrer, als eine außergewöhnliche Gestalt den Weg zum Bus beschritt.
Ein Pferd, nicht irgendeines, sondern ein prächtiges Tier mit einer Mähne, die in allen Farben des Regenbogens schillerte, näherte sich dem Bus. Ein Pferd in einem Schulbus? Das war etwas, was man wahrlich nicht alle Tage zu sehen bekam.
Der Busfahrer war in all den Jahren nichts so Merkwürdiges begegnet. Er kratzte sich am Kopf – die Mütze etwas schief auf dem grauen Haar –, zuckte aber nur mit den Schultern und öffnete die Tür. Die Schüler, die munter auf den Sitzen plapperten und lachten, hielten inne, staunend, als Ein Pferd den Gang entlangschritt, als gehöre es schon immer dazu.
— Hättest du platz gemacht? Ein Pferd sucht hier auch ein Plätzchen, rief eine freche Stimme vom hinteren Ende des Buses.
Kichern und leises Getuschel schwappten durch den Raum, doch dann breitete sich Stille aus, als Ein Pferd sich hinsetzte – ja, richtig gehört, das Pferd setzte sich auf einen der freien Sitze. Und alle sahen zu, wie Ein Pferd sein nächstes Kunststück vollbracht und etwas tat, was jedes Kind im Bus verstand: Es zog seine Schuhe aus, vier wundersame Exemplare, die sanft auf dem Boden des Busses landeten.
Die Schuhe waren von solch feiner Machart, dass jeder sie bestaunen musste; sie glitzerten silbern, als seien sie aus Mondlicht genäht, mit Sternen besetzt, die bei jeder Bewegung funkeln.
— Woher hast du solche Schuhe, Pferd? fragte ein kleines Mädchen mit Zöpfen und großen, staunenden Augen.
— Sie waren ein Geschenk, antwortete Ein Pferd mit einer Stimme, die an das Rauschen des Windes in den Bäumen erinnerte.
Bevor noch mehr Fragen gestellt werden konnten, brachte ein jähes Rumpeln alle zum Schweigen. Um eine Ecke biegend, kam der Bus zum Stehen. Vor ihm auf der Straße stand eine Figur in prächtigen Gewändern, gekrönt mit einer edlen, goldglänzenden Krone.
— Wehe, wehe, was ist denn hier los? Erklang die erstaunte Stimme des Königs.
Ja, ihr lest richtig, es war Ein König. Nicht minder erstaunlich als Ein Pferd im Schulbus.
Der königliche Herrscher blickte verwundert auf den Bus, dann auf sein eigenes spiegelglattes Schuhwerk, das im Kontrast zu dem lehmigen Untergrund stand, auf dem er sich befand.
— Gütiges Pferd, kannst du mir vielleicht helfen? Meine Schuhe… sie sind nicht für solche Wege gemacht, sagte Ein König und deutete auf seine glänzenden, aber sichtlich unpraktischen Schuhe, ganz unähnlich den funkelnden Schuhen von Ein Pferd.
Eine Woge der Hilfsbereitschaft ging durch den Bus – Kinder und Ein Pferd gleichermaßen.
— Komm herein, wir nehmen dich mit zur Schule, dort kannst du auf bessere Wege treffen, bot der Busfahrer an.
— In die Schule? Das klingt nach einer neuen Erfahrung, stimmte Ein König nach einem Moment des Zögerns zu und bestieg den Bus mit einer Würde, die selbst auf holprigen Fahrten nicht zu erschüttern war.
Der Schulbus setzte seine pannengefährdete Fahrt fort. Kinder und Ein König kamen ins Gespräch – über Schule, über das Königsein, und natürlich über Schuhe.
— Du weißt, Einheit macht stark. Wie deine Schuhe, die dich tragen, so tragen wir alle einander, sagte Ein Pferd weise, als sie die Schule erreichten.
— Oh ja, ja! riefen die Kinder unisono, und Ein König nickte zustimmend.
An diesem Morgen hatte sich mehr als nur ein Bus auf den Weg gemacht. Eine Freundschaft war entstanden, in der jeder, ob König oder Kind oder Pferd, eine wichtige Rolle spielte. So teilten sie den Tag, lernten zusammen und lachten viel – im Klassenzimmer, auf dem Schulhof, und auf jeder Fahrt im alten gelben Bus, der nun reicher an Geschichten war, als jemals zuvor.
Als die Dämmerung hereinbrach und die Schuhe von Ein Pferd unter den letzten Sonnenstrahlen erneut zu glänzen begannen, verabschiedeten sich Ein Pferd und Ein König von den Kindern mit einem Lächeln.
Der Schulbus brummte zufrieden vor sich hin, als hätte er die ganze Zeit gewusst, dass es etwas Besonderes geben würde an diesem Tag, wo Einigkeit und Stärke einander gefunden hatten. Und obwohl niemand es aussprach, wussten alle – die wahren Schätze waren nicht die Schuhe, sondern die Verbundenheit und Freundschaft, die sie alle verbunden hielt.